Perspektivwechsel –
Umstülpung und Verwandlung
„Art should comfort the disturbed and disturb the comfortable.“ (Banksy)
Kurz nachdem der Hammer gefallen war, hielt die Kunstwelt den Atem an, als das für umgerechnet 1,2 Millionen Euro versteigerte Werk „Girl with the Balloon“ des Künstlers Banksy durch einen im Rahmen versteckten Schredder ratterte. Erstmals wurde während einer Auktion ein Werk durch den Künstler selbst zerstört. Und im selben Moment ein neues geschaffen. Unter dem Titel „Love is in the Bin“ ist das neu entstandene Werk mittlerweile für ein Vielfaches des ursprünglichen Verkaufspreises versteigert worden.
Der künstlerische Prozess ist ein Prozess des Machens, und er verlangt uns zuweilen zunächst die Dekonstruktion vorhandener, lieb gewordener Abläufe und Gewohnheiten ab. Hierin steckt auch die elementare Frage, wie Neues in die Welt kommt. Beim Städtebau wirft es überhaupt keine Fragen mehr auf, dass Altes weichen muss, um Neues entstehen zu lassen. In der Kunst löst dieses Vorgehen noch Irritationen bis hin zu schmerzhaftem Erleben aus. Schaut man sich die Fotos der Versteigerung von Banksys „Girl with the Balloon“ an, ist offensichtlich, dass das „Publikum“ zutiefst entsetzt war. Weil es den Prozess der Zerstörung (noch) nicht als Kunstaktion einordnen konnte. Und genau das scheint das Geheimnis dieser Aktion zu sein – das Überraschungsmoment. Ein durch und durch unbequemer Moment. Der nur deshalb seine Wirkung erzielte. Sowie ein hohes Risiko barg. Nur mal angenommen, der Auslöser für den Schredder wäre einen Ticken zu früh bedient worden, als der Verkauf noch nicht abgeschlossen war.
Die Wirkung dieser Aktion beruht also auf einer Störung – des Alltagstrotts, der Routine, der Erwartungshaltung. Aber eben diese Störung erlaubt uns, unsere Perspektive zu wechseln. In den künstlerischen Moment als solchen einzutauchen. Auch und gerade, wenn es schmerzt. Nur so können wir gewohnte Wege verlassen, neu betrachten, neu gehen. Oder sogar ganz neue Wege suchen. Man könnte also auch andersherum sagen, dass jeglicher Prozess des Machens ein künstlerischer ist. Und dass wir uns als Schaffende immer auch als Schöpfende verstehen dürfen. Und eben diese Schaffenskraft, diese Kreativität (die tatsächlich wörtlich von creare, also schaffen abgeleitet ist) benötigen wir in allen Lebensbereichen.
Paul Schatz hat verschiedene naturwissenschaftliche Studien durchlaufen, wandte sich aber später der künstlerischen Ausbildung zu – enttäuscht vom eindimensionalen abstrakten Denken der universitären Ausbildung. Seine Bildhauertätigkeit ging dann auch eng einher mit der Auseinandersetzung mit der Anthroposophie. Er war auf der Suche nach einem Denken, „in dessen Klarheit das künstlerische nicht erfriert“. Eine besondere Entdeckung seiner Forschungen war das Prinzip der Umstülpung, das auf der Erkenntnis beruht, dass jedem starren Körper die Möglichkeit zur Bewegung und damit der Umstülpung innewohnt. Sämtliche platonische Körper können demnach von Innen nach Außen gekehrt werden.
Es ist kein Zufall, dass das Prinzip der Umstülpung sich durch alle Unternehmen der Neuguss-Gruppe zieht. Einmal ganz konkret in Form des Oloids, der im gleichnamigen Betrieb den Mischwerken zugrunde liegt. Der von den Kantenbewegungen her umgestülpte Würfel war Grundlage für einen Walzkörper für unterschiedlichste technische Anwendungen, da er durch seine rhythmisch pulsierenden Bewegungen äußerst energieeffizient ist. Auch im Berliner Rexroth Betrieb ist er Teil der Produktionsprozesse. Und nicht zuletzt findet sich das Umstülpungsprinzip im Logo der Firma STOCKMAR. Aber auch auf einer anderen Ebene zieht sich die Umstülpung wie ein roter Faden als eigene Qualität durch die Neuguss-Gruppe: Im Rhythmus, in der Beweglichkeit, im Dialog, in der Lebendigkeit aller Prozesse, die die Kultur der Neuguss-Gruppe ausmachen. Dieses Prinzip ist gleichermaßen Erinnerung wie Ansporn, immer wieder die Perspektive zu wechseln. So vielfältig die Unternehmen der Neuguss-Gruppe auch sind, sie gleichen sich in der Fähigkeit, genauso gut durch „enge“ wie „weite“ Phasen der Biografie dieser Unternehmensgruppe zu gehen, sie zu gestalten und, wo es Neues braucht, auch zu verwandeln. In ein neues Kunstwerk, das ohne das alte nie existieren könnte.